Himmlisch, irdisch

In diesem Verlag mögen wir Bilder. Bilder von Andreas Schwietzke (vulgo: »Inspiration«), von Gerd Scherm (vulgo: »Bilder einer Ausstellung«), Lothar Bauer (zahllose Titelbilder unserer Bücher), Sebastian Schwarz (in »DIE ZUKUNFT …« und »KINDERGEFÄNGNIS …«). Und das sind weder alle, noch werden sie das bleiben.

Tatjana Frey ist eine Bildkünstlerin, die bislang vor allem in unserem Imprint HALLER präsent war. Mit dem Buch »HIMMEL UND ERDE« haben wir ihr erstmals eine ganz eigene Plattform geboten, in der sie nicht nur illustrieren durfte, sondern im Mittelpunkt steht. Die Geschichten basieren auf ihren Bildern, und nicht nur die Motive waren konkrete Inspirationsquellen, sondern mitunter auch die Namen der Bilddateien, die den Autoren zugeschanzt wurden.

Das Ergebnis ist anders. Anders als Andreas, Gerd, Lothar und Sebastian. Ganz anders.

Tatjana eben.

Griesbach, Corinna (Hrsg.), HIMMEL UND ERDE. Die Bilder Tatjana Freys

Nicht einsperren!

Nicht nur Kinder gehören nicht in ein Gefängnis, auch die sensationellen Fotos eines Sebastian Schwarz gehören in die Freiheit. Begleitet von einer erklecklichen Zahl Autoren haben wir achtzehn weitere Meisterwerke des Fotografen verlassener Orte aus der Zelle gelassen und präsentieren sie im insgesamt dritten HALLER-Buch zum Thema »verlassener Orte«.

Griesbach, Corinna (Hrsg.), KINDERGEFÄNGNIS und andere verlassene Orte

Was genau ist das Problem?

Der Begriff »Theodizee« ist bekannt? Wenn nicht, dann sicher die Fragestellung – und auch das Problem. Die Frage, die Ron Müllers Roman aufwirft, ist aber zunächst mal eine ganz andere: Wenn das Problem in unterschiedlicher Ausprägung gleich zwei Mal auftritt – welches Problem ist das problematischere? Oder anders gefragt: Ist das Problem kleiner, wenn ich wenigstens einige Menschen retten kann, und größer, wenn niemand Rettung erfahren wird? Und überhaupt – wer hat am Ende recht? Der Protagonist, der Autor, der Leser? Oder gar Gott? Oder das Böse?

Wer sich jetzt hinreichend in die Irre geführt fühlt, liegt richtig – und sollte sich diesen Roman gönnen, der einen weniger in die Irre, als zu der Erkenntnis führt, dass das Theodizee-Problem in ganz ungewöhnlichen Situationen eine Rolle spielen kann. Und spielt.

Müller, Ron, DAS THEODIZEE-PROBLEM

Chinesische Spitznamen

»Kleiner Drache« ist nicht nur ein Spitzname, »Kleiner Drache« ist Xialong. Norbert Stöbe – der bei p.machinery kein neuer Kunde ist – beschreibt in seinem aktuellsten Roman nicht nur das Leben einer Chinesin auf der Flucht vor ihresgleichen, sondern auch ein China, das es unter ganz anderen Umständen und zu ganz anderen Zeiten so ähnlich einmal gegeben hat, heute aber nicht denkbar ist. Es ist ein wenig eine Mischung aus dem sich gegenüber Fremden standhaft zeigenden Australien und der Bürgerpolitik der guten, alten DDR. Wer nach China rein will, hat nicht unähnliche Probleme wie der, der raus will. Stöbes Roman »Kleiner Drache« ist nur vordergründig ein Schicksalsroman; er entwickelt seine Science-Fiction quellend und brodelnd unter der Oberfläche und zeigt sich prägend im Leben der Protagonistin.

Stöbe, Norbert, KLEINER DRACHE

Der dritte Hübner

Natürlich gibt es nur einen – es kann auch nur einen geben, wie beim »Highlander«. Aber man kann ihn teilen – besser gesagt: Man kann sein Werk teilen. Und das machen wir ja – inzwischen zum dritten Mal. Klaus Hübners neues Werk widmet sich Autoren und Literatur aus Bayern und in Bayern und um Bayern … nein, nur aus und in Bayern. Seine Besprechungen und Essays sind von hoher Qualität, wie man dies von diesem literarisch versierten Menschen gewohnt ist – und als besonderes Zuckerl gibt es oben drauf eine Sammlung von Sprachglossen, die unserem Verleger wie Öl runtergegangen sind und all die Leser ansprechen werden, die die deutsche Sprache nicht nur mit anglizistischem Blut und genderischem Schleim versaut sehen möchten.

Hübner, Klaus, BIERKÄMPFE, BAROCKENGEL UND ANDERE BAVARESKEN

Nochmal im Preis gesenkt

Nochmal im Preis gesenkt wurden die E-Books von Tetiana Trofushas »Coming home«: Bis zum 28.11.2020 kosten alle drei Sprachversionen nur EUR 0,49. Reich werden wir damit nicht und das ist auch nicht das Ziel: Vielmehr wollen wir herausfinden, inwiefern der Preis eines E-Books für seinen Downloaderfolg wirklich maßgeblich ist.

Wenn Autoren promoten

Dann sieht das so aus, wie Heribert Kurth das bei Facebook für seine »Sterne von Tha« getan hat:

Hallo, ich hatte ja nach meinem Beitritt in die Gruppe gepostet, dass ich demnächst einen ausführlicheren Beitrag schicken werde und das mach ich hiermit.

Bereits das erste Buch, welches ich als Kind in der Stadtbücherei Düren entliehen hatte, war ein Science Fiction Roman und die Faszination über das Weltall „verfolgt“ mich bis heute. Es hat sich ergeben, dass über sehr viele Jahre hinweg in meinem Kopf eine eigene Geschichte herumgeisterte, die im Laufe der Zeit immer größer und detaillierter wurde. Aus beruflichen Gründen hab ich nie die Zeit gehabt, sie mal aufzuschreiben. Die Geschichte ist vollgespickt mit verblüffenden Ideen und Begebenheiten. Irgendwann hab ich dann sogar ein klein wenig Bammel gehabt, dass jemand anderes per Zufall auf vergleichbare Ideen kommt, was aber Gott sei Dank nicht geschehen ist. Die Geschichte blieb mehr als drei Jahrzehnte im „Hinterstübchen“ und dann kam endlich die Zeit, dass ich damit beginnen konnte, sie mir aus dem Kopf herauszuschreiben.

Was dabei herausgekommen ist, trägt den Titel „Unter den Sternen von Tha“ und ist Ende Juni als mein erstes Buch im „p.machinery Verlag“ erschienen. Der Verlag schrieb dazu auf seiner Homepage, dass die Geschichte „eindeutig aus dem Rahmen fällt“ und „einen deutlich erkennbaren philosophischen Anteil hat“. Es ist keine Actionstory, keine Space Opera und erst recht kein Military SF – nichts dergleichen. Es ist ein Protokoll über die Menschheitsgeschichte, als Rückblick erzählt aus einer sehr weit entfernten Zukunft. Im Grunde genommen handelt es sich um unterschiedlich große Protokollfragmente, die zusammengesetzt einen übergeordneten Sinn ergeben, der aber erst ganz zum Ende der Geschichte „angedeutet“ wird.

Das in meinen Augen geradezu sensationelle Titelbild stammt von Lothar Bauer. Es passt perfekt zu einem zentralen Bestandteil der Story.

Es hört sich nach Werbung an – ist es wahrscheinlich auch – aber ich empfehle das Buch jedem SF Fan. Es gibt schöne Rezensionen z.B. im Portal Deutsche Science Fiction, in den Phantastik-News und in den Andromeda Nachrichten. Ich freue mich über jede Meinung zum Buch, unabhängig davon, ob sie positiv oder negativ ist. Gruß aus Düren.

Alt, aber aktuell – und jetzt neu als E-Book

Das Buch ist nicht neu – es erschien im August 2015, einige Wochen vor dem 25jährigen Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung. Heute, Ende Oktober 2020, einige Wochen nach dem 30jährigen Jubiläum dieser Wiedervereinigung, die nach dem Bekunden nicht weniger Menschen immer noch nicht vollendet sein soll, ist das Buch immer noch aktuell und erscheint ganz frisch und erstmals auch als E-Book.

Die Geschichte des Zaubi M. Saubert, der nach der Wende nach Halle an der Saale gegangen ist, um dort seinen Weg zu machen, ist heute so aktuell und frisch wie damals – als sich die Ereignisse abspielten und als das Buch erschien. »GO EAST« schildert ein Stück deutscher Geschichte, deutscher Wiedervereinigung. Das Buch schildert simple menschliche Schicksale, die die Welt nicht bewegten und die doch all das ausmachten und ausmachen, was um uns herum ist.

Das E-Book gibt es bis 10.11.2020 zum Sonderpreis von EUR 1,99 bei Amazon und allen anderen Verdächtigen, danach wird es zum Preis von EUR 7,49 zu erstehen sein.

Aus anderem Blickwinkel

Dieter Rieken ist Autor in unserem Verlag; sein Buch »Land unter« wurde hier natürlich schon erwähnt. Aber unser Autor interessiert sich auch für andere Bücher aus unserem Programm, und so möchten wir an dieser Stelle seine Rezension zu Gabriele Behrends »Salzgras & Lavendel« als Gastbeitrag veröffentlichen – mit seiner Erlaubnis selbstverständlich:

Douglas Hewitt ist in der Verwaltung von Acodis Inc. als »Datenarchäologe« tätig. Kaynee Simmons arbeitet im »Zenith«, einem Traumazentrum außerhalb der Stadt. Douglas ist im Ghetto unter »Wilden« geboren, die sich kein Implantat und »Persönlichkeitsset« leisten können. Nachdem er zur Waise wurde, erhielt er im Heim zumindest ein »Basisset«, das ihm ein sozialverträgliches Verhalten ermöglichen sollte. Kaynee dagegen hat ihr »Socket« gleich nach der Geburt implantiert bekommen und switcht nach Bedarf und Situation zwischen den vielen »Abspaltungen« ihrer künstlich erzeugten multiplen Persönlichkeit hin und her.

Die beiden leben im Zeitalter der »Effizienzdiversität«. Die in der Regel postnatal eingesetzten Implantate haben eine Gesellschaft hervorgebracht, die auf Effizienz getrimmt ist. Die Technik, die aus der Gamer-Szene hervorging, führte nicht nur zu einer Leistungssteigerung jedes Einzelnen, sondern ermöglicht es der großen Mehrheit auch, auf alle nur denkbaren Situation angemessen zu reagieren. So »kommen alle viel besser miteinander aus«, findet Kaynee.

Doch der äußere Schein trügt. Douglas zum Beispiel führt ein einsames und eintöniges Leben. Er wird von Ängsten und Zweifeln geplagt, die ihn bis in seine Träume verfolgen. Und dann begeht er – scheinbar aus heiterem Himmel – einen Mord. Um der Haft zu entgehen, bleibt ihm nur der Ausweg, sich ebenfalls eine multiple Persönlichkeit implantieren zu lassen. Im »Zenith« trifft er auf Kaynee, die seine »Patin« wird – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als ihre Hardware Fehler aufweist und sie die Kontrolle über sich verliert.

»Salzgras & Lavendel« spielt an einem unbestimmten Ort in der Zukunft, an dem »alles seinen ruhigen Gang« geht, während die Welt ringsum »an allen Ecken und Enden brennt«. Die Autorin streut nur wenige Hinweise auf klimatische Veränderungen und auf den technischen Fortschritt ein. Sie konzentriert sich auf die Frage, wie eine Gesellschaft aussähe, in der technische »Aufspaltungen« der Persönlichkeit – »neuronale Cluster« genannt – die Regel sind. Indem man Katy, Keira, Kandy, Kassy und Kaynees andere »Splits« in Aktion erlebt, hat man bereits nach wenigen Seiten einen lebhaften Eindruck davon, wie die Menschen im Alltag damit umgehen.

Am Beispiel von Douglas zeigt Gabriele Behrend, dass diese Technik für Menschen mit schweren Traumata ein Segen sein kann. Auf der anderen Seite stellt das Buch kritische Fragen: Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn eine solche Technik zur Norm wird, sie sich aber nicht jeder leisten kann? Wenn der öffentliche Frieden gefördert wird, aber niemand mehr eingreift, um Verbrechen zu verhindern? Was passiert, wenn die Technik versagt oder Fehler in ihrer Anwendung passieren? Wie würde der Staat reagieren, wenn ein Dogma ins Wanken gerät? Was die multiplen Persönlichkeiten betrifft, läuft der Roman auf die Frage hinaus, ob eine Separation – wie Kaynees »geordnetes Haus« – oder die Fusion der einzelnen Ich-Aspekte die richtige Antwort ist, um ein glückliches Leben zu führen.

Das alles packt die Autorin in eine Geschichte, die weder trocken noch langweilig ist. Dafür sorgen unter anderem die Nebenfiguren: der Techniker Sanders Mayerhoff, der neben seiner Arbeit im »Zenith« geheime Experimente durchführt und eifersüchtig auf Douglas ist; und Claire Paulson, die Leiterin des Traumazentrums, die als Spezialistin für »adulte Diversität« gilt – und die am bittersüßen Ende des Romans auf ganz unerwartete Weise zu Douglas’ Retterin wird.

Hier und da ist der Autorin beim Schreiben die Fantasie durchgegangen. Ein Meeting aller Ich-Aspekte im eigenen Kopf? Und im Kopf einer anderen Person? Das sind großartige Szenen, die noch dazu perfekt in die Dramaturgie passen. Sie erscheinen jedoch übertrieben.

In Stil und Sprache ragt das Buch deutlich aus der Masse der Science-Fiction-Literatur heraus. Die Verwendung des Präsenz’ schafft eine große Nähe zu den Protagonisten. Mit einfachen Mitteln gelingt es der Autorin jederzeit, den Leser durch die vielen Ich-Aspekte der Figuren zu lotsen, so dass man immer genau weiß, mit welchem man es gerade zu tun hat.

Für die zentrale Frage des Buchs – Separation oder Fusion? – findet Gabriele Behrend starke Bilder. Eine eindeutige Antwort sucht man vergebens. Wahrscheinlich, weil es keine gibt.

Quelle: https://deutsche-science-fiction.de/?p=5558