Fantastische Magie

Ellen Norten ist keine Unbekannte in unserem Programm — ganz im Gegenteil. Aber wenn sie sich nicht gerade mit dem Werk des Hubert Katzmarz beschäftigt oder Kurzgeschichtenanthologien herausgibt, sind Kurzgeschichten auch das Metier ihres eigenen schriftstellerischen Schaffens. Mit »Jamila tanzt!« legt sie ihren ersten Roman in unserem Programm vor — und bei diesem Werk handelt es sich um das zweite Buch, das wir der »magischen Science-Fiction« zuordnen. Aber während Gerd Frey in seinem »Irodis’ Stern« den Leser nett, freundlich und pfleglich behandelt, gönnt sich Ellen Norten nach einem regelrechten Parforceritt durch die magischen Universen einen bösen Tritt in die Kniekehlen desjenigen Lesers, der das Werk für einen 0815-Fantasyroman hält. Aber keine Bange — den Fehler macht man nur einmal …

Norten, Ellen, JAMILA TANZT!

Glück verdirbt nicht

Auch wenn der Titel des neuen Buches unserer Autorin Gabriele Behrend es suggeriert: Glück verdirbt nicht. Nicht als solches, nicht den Charakter, nicht die Gesellschaft. Obwohl … Gabriele Behrends Werk über »Die vom Glück Verdorbenen« beschreibt Menschen in einer Gesellschaft, in der die Abkehr von industriell hergestellter Nahrung tatsächlich zu Glücksgefühlen führen kann. Aber nicht muss. Denn der Weg dahin ist nicht einfach, sondern steinig — und wie im wirklichen Leben mitunter von Gewalt beeinträchtigt.
In der Tat ist ihre Geschichte durchaus Weitergedachtes unserer modernen Welt, in der Vegetarier und Veganer die (vermeintlich?) glücklicheren Menschen zu sein scheinen, wiewohl sie letztlich unter den gleichen Problemen zu leiden haben wie die »Normalofleischfresser« mit Hang zu Chips und Schokolade. Denn die industrielle Produktion von Nahrungsmitteln macht vor Vegetarismus und Veganismus nicht halt — ganz im Gegenteil.
Aber wie auch immer: Gabriele Behrends Geschichte ist kein vegan-vegetarisches Credo, keine Bibel für Fleischverweigerer. Sie zeigt eine ganz andere gesellschaftliche Alternative auf, die es heutzutage durchaus noch gibt, die auch nicht mehr seltener wird, sondern durchaus wächst: die Selbstversorgung aus dem eigenen Garten, dem eigenen Acker, für die eigenen Bedürfnisse — und die Bedürfnüsse bedürftiger Menschen, die sich nicht leisten können, die Produkte industrieller Fertigung zu kaufen und zu konsumieren.

Behrend, Gabriele, DIE VOM GLÜCK VERDORBENEN

Labyrinthe mit gutem Ausgang

Programme entwickeln sich. In unserer Reihe »AdnroSF« erschienen bereits mehrere Sammlungen von Kürzestgeschichten, die in den verschiedenen Sammlungen der Phantastischen Bibliothek Wetzlar erstveröffentlicht wurden. Das Ganze hat durchaus seinen Sinn. Die Vermarktung der PhB-Publikationen lässt schwer zu wünschen übrig: keine ISBN, kein VLB, keine Anbindung an den Buchhandel, nicht mal ein einigermaßen funktionierender Webshop … Da bleiben die Anthologien mitunter Geheimtipps in der einschlägigen SF-Szene.

Unsere Sammlungen der verschiedenen Autoren decken hier eine Lücke ab, und wenn wir nach den Reaktionen der verschiedenen Autoren gehen, dann ist die Idee und unsere Bereitschaft, diese Kollektionen zu veröffentlichen, eine gute Sache. Überzeugt davon war auch Friedhelm Schneidewind, der derzeit aktuellste Autor, den wir mit seiner Miniaturensammlung unter dem Titel »Brennende Labyrinthe« präsentieren dürfen. Seine Werkstückchen decken eine größere Bandbreite als nur SF ab – und das ist in Ordnung, denn die Miniaturen der Phantastischen Bibliothek tun das auch.

Schneidewind, Friedhelm, BRENNENDE LABYRINTHE

Unscharfe Trennung

Es gibt bekanntermaßen die Behauptung, dass sich Magie und Technologie irgendwann nicht mehr unterscheiden lassen. Die Behauptung hat nicht nur Isaac Asimov als Gesetz postuliert, sondern auch Larry Niven ausgesagt. Und Gerd Freys aktuellen Titel »Irodis’ Stern« als Fantasybuch einzustufen, wäre ein kardinaler Fehler. Denn auch, wenn die Geschichte unseres Autors zweier Kurzgeschichtensammlungen (»Dunkle Sonne«, »Outpost«) und eines Romans (»Der Übergang«) vor Magie nur so wimmelt – die SF-Elemente sind unübersehbar und der eigentliche Knackpunkt des Romans um wahrlich höchst seltsame und fremdartige Ereignisse und Erscheinungen. Am Ende ist es nicht die Magie, die zur Rettung führt, sondern beinharte SF. Magische SF.

Frey, Gerd, IRODIS’ STERN

Hinterm Mond 2023

Hinterm Mond 2023
4. Tag der Science-Fiction-Literatur in Ostfriesland
im Kulturspeicher in Leer
Sonnabend, 7. Oktober 2023, 15 Uhr
mit Thorsten Küper, Aiki Mira, Jol Rosenberg und Gerhard Wiechmann.

Zum vierten Mal wird der Kulturspeicher in Leer/Ostfriesland bei »Hinterm Mond 2023« zum Treffpunkt von Science-Fiction-Fans aus ganz Deutschland. Den 4. Tag der SF-Literatur am Sonnabend, 7. Oktober, gestalten Thorsten Küper (Herne), Aiki Mira (Hamburg) und Jol Rosenberg (Berlin), die aus ihren Werken lesen werden, sowie Gerhard Wiechmann (Oldenburg), der einen Vortrag über Reichsflugscheiben und Nazi-Ufos halten wird.
Veranstalter von »Hinterm Mond« ist der Journalist Norbert Fiks. Er hat seine zahlreichen Kontakte ins deutsche Science-Fiction-Fandom genutzt, um ein abwechslungsreiches Programm auf die Beine zu stellen. Dieses Mal wird aktuelle SF deutscher Autorinnen und Autoren mit einem historischen Thema in Kontrast gesetzt.
»Hinterm Mond 2023« im Kulturspeicher in Leer beginnt  am Sonnabend, 7. Oktober, um 15 Uhr. Karten zum Preis von 15 Euro können online unter blog.fiks.de/hinterm-mond bestellt werden.

Thorsten Küper, Jahrgang 1969 und im Hauptberuf Lehrer in Herne, schreibt seit Anfang des Jahrtausends Kurzgeschichten für Anthologien und Magazine wie Nova, Exodus, c’t und Spektrum der Wissenschaft. Mehr als 20 Mal wurde er für den Kurd-Laßwitz-Preis und den Deutschen Science-Fiction-Preis nominiert. 2019 gewann er die beiden begehrten Preise mit seiner Kurzgeschichte »Confinement«. Thorsten organisiert seit 2010 mit seiner Frau Kirsten Riehl virtuelle Lesungen in Second Life, bei denen bisher rund 250 Schriftsteller, Verleger, Herausgeber, Künstler und Musiker aufgetreten sind. Gemeinsam mit Frederic Brake moderiert er die Fantastiktalkshow »Talkien«, zu sehen unter www.youtube.de/BrennendeBuchstaben.

Aiki Mira lebt in Hamburg und – nach eigenen Angaben – in der Science-Fiction. Gleich drei Storys von Aiki wurden 2022 für den Deutschen Science-Fiction-Preis und für den Kurd-Laßwitz-Preis nominiert. Das hat vorher niemand geschafft. Mit der Story »Utopie27« gewann Aiki beide Preise. Zusammen mit den beiden Künstlern Uli Bendick und Mario Franke gab Aiki die Anthologie »Am Anfang war das Bild« heraus, die 2022 ebenfalls für den Kurd-Laßwitz-Preis nominiert war und den zweiten Platz erreichte. Im zu Ende gehenden Jahr 2022 erschienen zudem zwei SF-Romane von Aiki: »Titans Kinder. Eine Space-Utopie« sowie »Neongrau. Game Over im Neurosubstrat«. Im Web: www.aikimira.webnode.page


Aiki Mira – Foto: Aiki Mira

Jol Rosenberg landete 1976 auf der Erde und lebt in Berlin. Jol bloggt auf www.jol-rosenberg.de mit dem Schwerpunkt deutsche Science-Fiction und schreibt vorwiegend in diesem Genre. Kurzgeschichten erschienen in Anthologien und Zeitschriften, unter anderem in Queer*Welten, c’t und der Anthologie Future Work. Jols Romandebüt »Das Geflecht. An der Grenze« erschien im Herbst 2022 im Verlag ohneohren, darauf folgt im Herbst 2023 – und hoffentlich rechtzeitig zu »Hinterm Mond 2023« – ein Roman-Zweiteiler, ein Hope-Punk-Werk, beim Verlag Plan9. Jols Markenzeichen: der Hut.

Gerhard Wiechmann, Lehrbeauftragter an der Carl-von-Ossietzky-Universität, ist Experte für Militär-, Marine- und Filmgeschichte mit einem Faible für die Science-Fiction und speziell der SF-Filme der DDR. »Perry Rhodan« war die Einstiegsliteratur, mit Claus Ritters »Kampf um Utopolis« von 1989 begann sein historisches Interesse an SF. 2022 wurde Gerd nicht nur über Konzepte deutscher »asymmetrischer« Kriegführung im 19./20. Jahrhundert habilitiert, sondern es wurde auch sein Buch »Von der deutschen Flugscheibe zum Nazi-UFO« veröffentlicht, das sich mit den »Metamorphosen eines medialen Phantoms« befasst. Möglicherweise wird das Thema ausgebaut unter dem Aspekt einer Geschichte der Military-SF.

»Hinterm Mond 2023 – 4. Tag der Science-Fiction-Literatur in Ostfriesland« wird veranstaltet von Norbert Fiks, Wagnerstraße 25, 26789 Leer.

Dieter Bohn, sein Zef’ihl und stolze Nerds

Am 25. und 26. März 2023 findet in Trier in der Messeparkhalle die Proud Nerd Convention statt. Autor Dieter Bohn hat sich dort einen eigenen Stand gegönnt und wird auch seinen Roman »Der Zef’ihl, der vom Himmel fiel« (AndroSF 124; der zweite Zef’ihl ist noch in Vorbereitung) präsentieren. Trier ist nicht für jeden Fan der nächste Weg — wer das Buch trotzdem haben möchte, bekommt es auf den üblichen Wegen bei den bekannten Verdächtigen.

Bohn, Dieter, Der Zef’ihl, der vom Himmel fiel