Zum zweiten Mal: Das Künstlerbuch »Die Gelehrtenrepublik« von Arno Schmidt

Die Präsentation der bibliophilen Ausgaben des Romans, einige geschwätzigen Ausführungen zur Entstehung des Künstlerbuches sowie die Lesung ausgesuchter Passagen aus dem Kurzroman vom Grafiker, Buchkünstler, Dichter, Schauspieler und ›Erforscher des tellurischen Kabinetts‹ (© Elisabeth Einecke-Klövekorn) Thomas Franke, mit wohlgesetzten Unterbrechungen durch den Musiker Matthias Höhn,

am Samstag, den 18. März 2023,
um 17.00 Uhr,
in der Parkbuchhandlung

(Am Michaelshof 4b, 53177 Bonn, Telefon: 0228 352191)

Arno Schmidt (1914 –1979) arbeitete vor dem Krieg als Graphischer Lagerbuchhalter in Greiffenberg / Schlesien, nach Kriegsdienst und Gefangenschaft schließlich als Übersetzer und Schriftsteller. Seit 1949 erschienen zahlreiche von ihm geschriebene Romane, Erzählungen und literarische Radioessays. Arno Schmidt erhielt 1973 den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main verliehen.

Der Gegenstand dieses Abends ist Arno Schmidts Kurzroman aus den Roßbreiten, »Die Gelehrtenrepublik«. Erstmals 1957 erschienen, spielt er in der Welt fünfzig Jahre nach einem Atom-, dem Dritten Weltkrieg. Der Roman schildert in Tagebuchform die Reise des amerikanischen Journalisten Charles Henry Winer im Jahre 2008 durch einen von Mutationen bevölkerten »Hominidenstreifen« in Nevada zu der im Pazifik treibenden künstlichen Insel IRAS (International Republic for Artists and Scientists), auf welcher – unter ebenso gleichberechtigter wie rivalisierender Verwaltung durch die Russen und die Amerikaner – die letzten Geistesgrößen aus Wissenschaft und Kunst Zuflucht gefunden haben. Der Erzählstil des Romans erinnert im Tonfall an klassische Schelmenromane, – und aus der Position eines Schelms, der einen anderen Schelm auf seiner Wanderung beobachtet, macht der Illustrator Thomas Franke viele weitere Details dieser Welt sichtbar, Details, die der Schriftsteller nicht erzählte oder selbst nicht entdeckt hatte, oder die symbolisch, allegorisch und metaphorisch neue surreale Erlebnisse in der Schmidtschen Welt präsentieren.

Mit der von Franke reich illustrierten und gemeinsam mit Michael Haitel gestalteten sowie als Künstlerbuch aufwendig hergestellten, bei p.machinery edierten Neuausgabe des Romans erweist sich Franke als ein Liebhaber des Schmidtschen Humors und seiner bissigen Ironie, weswegen er bei der Gestaltung des Künstlerbuches nicht zurückstehen wollte: die Bücher wurden in CABRA gebunden, ein Material, das sich anfühlt als würde man einer Zentaurin aus dem »Hominidenstreifen« das Fell streicheln.

Seit 1979 ist Franke als freier Grafiker, Buchkünstler und Illustrator z. B. für den Suhrkamp-, den Heyne-, den Goldmann-Verlag, für p.machinery und viele andere tätig. Für seine buchgestalterische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet – ebenso für seine Arbeit als Schauspieler. Neben der Bühnenarbeit bestreitet er seit beinahe vierzig Jahren Lesungen. Er liest Hörbücher ein, produziert selbige, arbeitet als Sprecher für den Hörfunk und spielt in Fernseh- und Filmproduktionen.

Die Buchausgaben wurden gefördert durch ein Künstlerstipendium im Rahmen der NRW-Corona-Hilfen.

Arno Schmidt
DIE GELEHRTENREPUBLIK
Kurzroman aus den Roßbreiten
Illustriert von Thomas Franke
Fulminant Fantastische Folianten 1
p.machinery, Winnert, September 2022, 246 Seiten (incl. 25 Farbseiten, davon 7 Ausklappseiten), Hardcover mit Cabra-Bezug und Blindprägung
Normalausgabe: ISBN 978 3 95765 302 4 – EUR 99,90 (DE)
Vorzugsausgabe (limitiert auf 111 Ex., davon 100 Ex. im Verkauf, mit nummerierter Digigrafik im Einleger und im Schuber): ISBN 978 3 95765 303 1 – EUR 222,00 (DE)

[VDS] So ergreifend wie eine Ampelphase

Aus dem VDS-Infobrief vom 13.03.2023:

Literatur, die auf keinen Fall wehtut, die nicht mehr leistet als eine Gesinnung des reinen Herzens zu bestätigen, solchen Kitsch gibt es zuhauf. Das sind Geschichten, so ergreifend wie die Ampelphasen an der Bundesstraße. Bei unseren Enkeln landen wir damit nicht: „Omi, lies ruhig weiter vor, ich hör sowieso nicht zu.“ Riskieren wir mal beim Blättern in den Neuerscheinungen unserer Buchhandlung die Frage: Wollte ich mir daraus vorlesen lassen? Zugegeben, der Wettbewerb mit den Verkehrsampeln wird immer härter. Schreiben darf bald nur noch, wer sich keiner kulturellen Aneignung schuldig macht. Also Vorsicht: keine von Weißen verfassten Geschichten aus dem dunklen (!) Kontinent, von wegen Jenseits von Afrika, Frau Blixen: so nicht! Und daraus dann noch Filme machen, Herr Redford, Frau Streep, was denken Sie sich dabei? Um es mal klar zu sagen: Über den Gattenmord darf nur schreiben, wer ihn bereits begangen hat, Krimis gibt es nur noch von Kriminellen, also von Mördern, Päderasten, Vergewaltigern. Und diese werden sich gefälligst zusammenreißen und das Ganze in bekömmlicher Sprache verfassen! Nicht etwa – man stelle sich das vor! – da könnte jemand unangenehm berührt worden sein. So wie im echten Leben, Schreck lass nach. Aber vielleicht ist hier eine Warnung angebracht: Eine Gesellschaft, die es nicht mehr fertigbringt, Huckleberry Finn im unverfälschten O-Ton zu veröffentlichen, wäre möglicherweise der Mühe nicht mehr wert, sie überhaupt noch vor irgendwas zu beschützen. Wer nicht zum Risiko bereit ist, durch Worte der Anderen zum eigenen Denken animiert zu werden, auch wenn es noch so schmerzt, der lebt wahrscheinlich sowieso auf dem falschen Planeten. (Oliver Baer)

[KLP 2023] Sieben

Nicht auf einen Streich, denn es sind die Nominierungen zum KLP 2023, die just veröffentlicht wurden. Aber immerhin ist die p.machinery mit sieben Nominierungen vertreten: 1 Roman, 2 Erzählungen, 2 Cover, 1 Sachtext und eine Nominierung für den Sonderpreis, den Cheffe gerne gemeinsam mit Thomas Franke für die Veröffentlichung des Prachtbuchs »Die Gelehrtenrepublik« von Arno Schmidt gewinnen würde.
Udo Klotz, Schirmherr des KLP, hat noch verraten, dass auf der Longlist weitere 2 Romane, 13 (!) Erzählungen und 1 Cover zur Nominierung standen; sie wurden nicht oft genug vorgeschlagen. Und eine Sonderpreisnominierung hatte Cheffe abgelehnt, da sie vorsah, ihm allein den Preis für die »Gelehrtenrepublik«-Veröffentlichung zuzusprechen — was angesichts der fulminanten Arbeiten eines Thomas Franke auf gar keinen Fall akzeptabel war, weshalb er sie eben ablehnte (und vorschlug, sie in eine Nominierung für Thomas und ihn gemeinsam umzuwandeln, was dann auch geschah).
Die gesamte Liste der Nominierungen findet sich hier. Die Nominierungen für die p.machinery sind hervorgehoben.

[VDS] Problemlöser*innen und Drogensüchtig:innen

Aus dem VDS-Infobrief vom 13.03.2023:

Gleich zwei Stilblüten haben in dieser Woche die Twitter-Welt in Gender-Verzückung geraten lassen. Emily Vontz (SPD), mit 22 Jahren das jüngste Mitglied des Bundestags, hielt kürzlich ihre erste Rede. Neben den Inhalten hatte die Twitter-Gemeinde jedoch nur Augen für ihre übertriebene Gestik („War die früher Verkehrszeichen auf einer Kreuzung?“ @politikfluid) sowie das gesprochene Gendersternchen. Sie sprach von Problemlöser(Pause)innen und Problemsucher(Pause)innen und zog damit den Spott auf sich. „Ist das eine Theater-Veranstaltung?“ fragte @be_joli verdutzt, @MatthiasWirth2 sieht in ihr die „Bestbezahlte Schülersprecher*in des Landes“, und @TSievers5 resümiert „Vor lauter Moral weiss man gar nicht was die Dame gesagt hat – war wohl nicht so wichtig.“

Der RBB berichtet indes von einem Drogenmobil für Drogensüchtig:innen in Berlin-Wedding. Hier wollte man sich wohl besonders „woke“ (also aufmerksam bzw. sensibel) zeigen, auch wenn den Betroffenen das korrekt gesetzte Genderzeichen vermutlich herzlich egal sein wird. Dass das Gendern hier komplett nach hinten losgegangen ist, scheint den RBB nicht zu stören – trotz massiver Kritik auf Twitter reagiert der Sender nicht auf diesen Griff ins sprachliche Nichts. (twitter.com/VDS, twitter.com/VDS)

[VDS] Literatur ist nicht Pizza, sondern Zumutung

Aus dem VDS-Infobrief vom 13.03.2023:

Es gibt bereits Verlage, die Klassiker wie Mark Twains Tom-Sawyer-und Huckleberry-Finn-Romane nicht mehr veröffentlichen würden – wegen ihrer „anstößigen“ Passagen. Literaturhaus-Chef Professor Rainer Moritz hält herzlich wenig davon, dass Verlage Gebrauchsanweisungen zum Konsum ihrer Produkte veröffentlichen: „Die Angst, irgendjemandem mit irgendwas auf die Füße zu treten, breitet sich in den letzten Jahren auch hierzulande so aus, dass man am Verstand der Beteiligten zweifeln muss.“ Selbstverständlich sagten Figuren in einem Roman Dinge, die jedenfalls nicht die Meinung des Autors wiedergeben. Da treffe man „permanent auf Menschen, die Seltsames, Anstößiges, Widerliches oder Misogynes äußern – so wie das Menschen betrüblicherweise im ‚wirklichen‘ Leben tun.“ Die Verlage würden ihre Leserschaft für dumm verkaufen, wenn sie meinen, sie müssten eigens darauf hinweisen. Literatur sei keine Tiefkühlpizza, betont Moritz, die den Warnhinweis benötigt, dass die Plastikfolie zu entfernen ist, bevor man die Margherita in den Ofen schiebt.

Offenbar fürchten die Verlage Kloakenstürme in den sozialen Medien, wenn sie keine Inhaltswarnungen geben. „Wenn man diese Haltung zu Ende denkt, darf es künftig keine Romane ohne seitenlange ‚Warnungen‘ mehr geben“, sagt Moritz, denn in fast allen ernsthaften Romanen werde gemeuchelt, gemordet, gesoffen, gedealt und gehurt. Moritz verweist auf einen verbreiteten Irrtum im Umgang mit Kunst. Wer gut schreibt, müsse noch lange kein „moralisch integrer oder politisch klug daherredender Zeitgenosse“ sein. Man verfüge als Autor „nicht automatisch über ein besseres Urteilsvermögen als eine Installateurin oder ein Abendblatt-Redakteur.“ Davon abgesehen agierten auch Schriftsteller stets in einem bestimmten historischen Kontext. So aufgeklärt sie auch sein mögen, sie erliegen den Irrtümern und Fehleinschätzungen ihrer Zeit. So fragt sich Moritz, ob „die Sprach- und Textpolizisten unserer Tage gar nicht auf den Gedanken kommen, in zwanzig, dreißig Jahren könnte man ihre Anschauungen als überholt und verfehlt ansehen.“

Auf die Frage, was er von Romanen halte, in denen allein das Moralisch Gute und Schöne seinen Ausdruck findet, meint Moritz, er kenne keine literarisch satisfaktionsfähigen Romane, die so gestrickt seien. Es sei denn, man stelle sich das Dasein wie eine „Traumschiff“-Episode vor. Eine „Alles wird gut“-Haltung habe in der Literatur jedenfalls nichts verloren. Das allerdings müsse einen nicht hindern, in der Edition von Kinderbüchern Sorgfalt walten zu lassen. Man könne sehr wohl Begleittexte anbieten, um verständlich zu machen, warum etwa ein „Negerkuss“ lange Zeit als unbedenkliches Wort galt und warum man das heute anders sehe. Aber Moritz hält es für indiskutabel, „historische Texte zu glätten oder uns heute als anstößig Vorkommendes zu tilgen.“ Das wäre eine völlige Verkennung dessen, was Literatur, was Kunst ist. „Das heutige Besserwissertum gegenüber Texten oder auch Gemälden aus früheren Zeiten hat etwas Unerträgliches und es zeugt von immenser Selbstgerechtigkeit.“

Thomas Andre fragt im Hamburger Abendblatt: Demnach mache die Wokeness die Kunst kaputt? Darauf Moritz: „Wenn Wokeness übergriffig wird und wenn deren Wortführer glauben, im Besitz der alleinseligmachenden Wahrheit zu sein, kann sie gefährlich sein.“ Dann könne sie die Kunst töten. Kunst ist, „wenn sie Kunst ist, immer eine Zumutung“, sagt Moritz. Wenn das „Zigeunerschnitzel“ von den Speisekarten verschwindet, sei das kein kultureller Verlust. Es sei jedoch fatal, „wenn eine kleine Minderheit im Bewusstsein, moralisch und intellektuell Recht zu haben, glaubt, ihre Auffassung anderen oktroyieren zu können.“ (abendblatt.de  (Bezahlschranke))

[VDS] Infobrief vom 13.03.2023

Link zum Inhalt. Die rot markierten Beiträge dürfen als Leseempfehlungen aufgefasst werden.

1. Presseschau
• Sprachliche Finessen
• Krieg verändert Sprache
• Mit Rosenduft Sprachen lernen
2. Gendersprache
• Kein Gendern in Bad Saulgaus Schulen
• Klöckner genervt von „übertriebenem Gendern“
• Gendern schadet Inklusion
3. Kultur
• App soll indigene Sprache erhalten
• Unbeliebtes Fränkisch
• Plattdeutsch in der Altmark vor dem Ende
• Literatur ist nicht Pizza, sondern Zumutung
4. Berichte
• VDS auf der didacta
• Sabine Mertens im Gespräch mit Ulrike Stockmann
5. Soziale Medien
• Problemlöser*innen und Drogensüchtig:innen
6. Kommentar
• So ergreifend wie eine Ampelphase
7. Termine

Der Schneidewind im Radio

Am heutigen Montagabend gibt es um 20:00 Uhr im freien Radio Bermudafunk eine einstündige Sendung von Friedhelm Schneidewind — einem Autor, von dem ich dieser Tage einen Kurzgeschichtenband unter dem Titel »Brennende Labyrinthe« (AndroSF 171) veröffentliche — über sein neues Buch in der Reihe »KOPF IM OHR – Literradio der VS-Gruppe Rhein-Neckar«.

BERMUDAFUNK:
Antenne UKW 89,6 und 105,4 MHz – Kabelempfang 107,45 MHz
Livestream https://bermudafunk.org/hoeren.html

Die Sendung ist nach der Ausstrahlung eine Woche in der Mediathek des Bermudafunks zu hören.
Schon jetzt ist die komplette Sendung auf unserer Webseite zu hören und kann dort komplett heruntergeladen werden.
Und wer das alles verpasst hat, kann die Sendung auch hier herunterladen. Oder gleich hier anhören:

 

Haptisches Erlebnis

Die Firma Peyer Cover (peyer-cover.com) hat das Bezugsmaterial für die Frankesche Neuausgabe der »Gelehrtenrepublik« von Arno Schmidt geliefert und schreibt auf ihrer Website – versehen mit ansehnlichem Bildmaterial – darüber, was es damit auf sich hat, was man damit tun kann, und warum Thomas Franke die Auswahl dieses Materials getroffen hat.

Links finden sich dort auch. Maren Thomsen ist die Firma, die den Schuber für die Vorzugsausgabe erstellt hat, SDL-Buchdruck ist der Schaltungsdienst Lange, und die p.machinery sollte bekannt sein.

Schmidt, Arno, DIE GELEHRTENREPUBLIK

Fünf Jahre Arbeit

 

Gesprächsbedarf

Yvonne Tunnat verspürte Gesprächsbedarf und lud erneut — zum dritten Mal, wie es heißt — Marianne Labisch zur Unterhaltung. Es sollte eigentlich vorrangig um die aktuelle Anthologie »Jenseits der Traumgrenze«, hrsg. von Marianne Labisch und Gerd Scherm, gehen, aber dann ging es wie so oft um viel mehr.

Labisch, Marianne & Scherm, Gerd (Hrsg.), JENSEITS DER TRAUMGRENZE

 

[VDS] Infobrief vom 05.03.2023

Link zum Inhalt. Die rot markierten Beiträge sind unsere Leseempfehlungen.

1. Presseschau
• Putin gegen Fremdwörter
• Starren statt Sprechen
• Seltene Sprachen
2. Gendersprache
• Berliner Genderklage gegen Schulen
• Gendern bei Gericht
• Prinzen-Sänger an DDR erinnert
• Peter Hahne gegen Gendersprache
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
• feministisch
4. Kultur
• VDS auf der Didacta
• 007 zensiert
5. Berichte
• Petition für Kassels Erbe
• Heinrich Peuckmann
6. Kommentar
• Lenkt sie ab mit Gendern!
7. Termine