Die dritte Rezi ohne Hintergrund

Wir erwähnten es bereits. Hier. Und hier ist die Rezension eines nie geschriebenen Buches, die Platz 3 belegt hat (oder war die Platzierung anders? Egal …): Carmen Weinand zu »Die Bauchnabelfluse«.

J. A. Laughter
Die Bauchnabelfluse. Belastungsprobe einer Liebe
Navel Fluff
Übersetzung: Machma L. Ocker
Buch-/Verlagsdaten: Newmedia; 1. Auflage; 25. März 2013; Taschenbuch; 198 Seiten; keine ISBN (Sammlerdruck von Hand nummeriert)

Jeder Mensch hat Geheimnisse und Abgründe. Manche davon sind offensichtlich und wieder andere befinden sich unter einer oder mehreren Schichten banaler Kleidung.
Als sich die junge Eleonor beim Liebesspiel mit ihrer neuen Liebe Jack an seinem sehnigen Körper herunter küsst, ahnt sie noch nicht, welche folgenschweren Veränderungen dies zur Folge haben wird. In dieser Liebesnacht entdeckt Eleonor Jacks intimste Geheimnisse. Nur etwa zehn Zentimeter von seinem Hosenbund entfernt, dort, wo der sexy Streifen feiner Haare ins Nirwana verschwindet, findet sie etwas, das ihr Leben für immer verändern wird. Sie muss sich entscheiden. Lässt sie diesen Fund einen Keil zwischen sich und Jack treiben oder wird sie ihrer Liebe eine Chance geben? Wird Jack daran zerbrechen oder sein Geheimnis mit Eleonor teilen?
Nur der Bauchnabel und das, was sich darin befindet, können diese Fragen beantworten.
Vorab muss ich sagen, dass es sich hierbei eigentlich nicht um mein bevorzugtes Genre handelt. Allerdings hat mich das Cover irgendwie magisch angezogen. Dieser geheimnisvolle Krater mit der unbekannten Substanz im Inneren hat förmlich danach geschrien, von mir erworben zu werden. Der Klappentext versprach eine reißerische Story, also schlug ich kurzerhand zu.
Leider wurden meine Erwartungen ziemlich enttäuscht.
Bei der Protagonistin Eleonor fing das Elend eigentlich schon an. Entweder hat der Autor einen besonders schrägen Humor oder er wollte einfach mal seine Grenzen austesten.
Eleonor hat im Prinzip die besten Jahre schon hinter sich. Sie rasiert sich täglich ihren Damenbart, nicht aber die Beine. Ich meine, hallo? Was ist denn das für eine schäbige Erna? Welche Frau kaut Tabak? Welche Frau kaut Tabak, während sie im Club auf Männersuche ist? Die Vermutung liegt nahe, dass der Autor auf einer Hinterwäldler-Farm aufwuchs – irgendwo am Arsch der Welt – wo genau dieser Typ Frau ein heißes Teil zu sein scheint.
Auch Jack ist mir ein absolutes Rätsel. Er sieht aus wie ein Supermodel, hat Geld wie Heu und schafft es trotzdem, sich im Club dermaßen die Kante zu geben, dass so ein Untier wie Erna – Entschuldigung Eleonor – in seinem Bett landet.
Wer an dieser Stelle das Buch noch nicht entnervt zugeklappt hat, wird auf den folgenden Seiten noch sein blaues Wunder erleben.
Achtung Spoiler:
Anscheinend war Jack nämlich nicht besoffen genug. Nachdem Eleonor in seinem Bauchnabel einen dicken Wust grünlicher Flusen, auch Bauchnabelfussel genannt, entdeckt, beschließt er zunächst, sich rauszureden. Ich zitiere: »Es ist nicht das, was du denkst. Das ist nur ein Muttermal.«
Wie albern ist das denn bitte? Das denkt sich wohl auch Eleonor und porkelt beherzt mit dem Zeigefinger das kleine, grüne Wollgedöns aus Jacks Bauchnabel heraus. Als sie es dann angewidert aus dem Bett schnippt, springt Jack panisch hinterher und fängt die Fluse vorsichtig mit seiner Hand auf, um sie dann in ein großes Glas zu legen, in dem sich bereits ein riesiges Knäuel angesammelt hat.
Erfahrene Leser können sich wahrscheinlich schon denken, was jetzt kommt. Jack legt eine saftige Lebensbeichte hin, die beide zu Tränen rührt. Seine brutale Kindheit, geprägt von Verlustängsten, sein Drang, Dinge zu sammeln (mit anderen Worten, er ist ein Messie), seine geheimen Forschungsarbeiten über die Entstehung der Bauchnabelflusen und schließlich sein Eintrag im Guinness Buch der Rekorde für die größte Fusselsammlung der Welt.
Jede andere Frau hätte inzwischen schreiend die Flucht ergriffen. Nicht jedoch Eleonor, die sich zunächst eine neue Portion Kautabak einwirft, um dann den völlig zerstörten, innerlich zerrissenen Jack tröstend in ihre Arme zu schließen.
Spoiler Ende.
Die Charaktere sind mir insgesamt zu übertrieben dargestellt. Was Eleonor an Gefühl fehlt, hat Jack im Übermaß. Was Jack an Attraktivität zu bieten hat, fehlt Eleonor komplett. Das erklärt wohl auch, warum er fast in einem durch laut heult. So ein Loser!
Der Schreibstil liest sich allerdings sehr angenehm, fast schon poetisch. Der Autor spielt elegant mit Worten und Metaphern, wodurch sich insgesamt ein eher anspruchsvoller Lesegenuss entwickelt. Dadurch kann man schließlich auch über die beiden schrägen Protagonisten hinweg sehen.
Subtil eingebaute sozialkritische Aspekte wie z.B. die erschreckende Erkenntnis darüber, was die Gesellschaft mit einer labilen Seele anrichten kann, geben dem Roman die letzte Würze.
Letztlich hält der Autor die Spannung bis zum Schluss. Selbst zum Ende hin kann man sich nie sicher sein, wie es mit den beiden weitergeht. Dazu kann und will ich nun auch nichts weiter verraten. Das soll jeder für sich selbst entdecken.
Fazit:
»Die Bauchnabelfluse« ist ein halbwegs gelungenes Erstlingswerk mit einigen Abstrichen, das man locker an einem Abend weglesen kann, wenn man auf Liebe und Drama steht. Der versteckte Anspruch dürfte selbst die kritischen Leser ansprechen. Vielleicht sollte der Autor sich künftig mit seinen Charakteren etwas mehr Mühe geben. Somit gebe ich eine Kaufempfehlung mit Abstrichen.