Michael. Du druckst, lektorierst, korrektorierst und verlegst Bücher, bis sie keiner mehr findet (haha, Hammergag?).
Ja, der war wirklich Hammer. Danke.
Langjährige Übung, mein Freund.
Die Reihenfolge stimmt aber nicht. Zuerst lese ich, dabei korrigiere und lektoriere ich, das ist so eine Art Zwang. Krankhaft noch nicht, aber mein Plüschologe schaut mich öfter seltsam an.
Verstehe. Ich schaue mir auch gerne anderer Leute Texte an. Aber nur, wenn ich dabei alles rot anstreichen und ihnen danach genüsslich die »Dass mit Doppel-s«-Regeln aufdröseln darf.
Jaja, vielleicht solltest du lieber Maler werden? Rotvollflächen mit Doppel-s-Ligaturen … hört sich spannend an.
Jedenfalls mache ich dann Layout und Druckvorlagen und dann überlasse ich das Werk anderen Fachleuten, die wirklich den Druck machen. Bislang habe ich nicht wirklich selbst »verlegt«, aber das ist eine Feinheit – die auch seit einigen Tagen nicht mehr stimmen würde, denn seit 10. Mai 2010 habe ich einen richtigen, richtigen, richtigen Verlag mit richtigen eigenen ISBN und einer richtigen eigenen Buchhaltung, weil das Finanzamt das so haben mag.
Wo stehen die meisten deiner Druckerpressen? Ich gehe davon aus, dass in deinem Keller nicht die Decke durchhängt, weil im Wohnzimmer der Maschinenfuhrpark steht?
Keine Ahnung. Ich arbeite mit Books on Demand in Norderstedt, manchmal – aber seltener werdend – auch mit Maro in Augsburg – einer richtigen Druckerei –, manchmal auch mit complett|druck in Passau – ein alter neuer oder neuer alter Bekannter, ich weiß es nicht –, und ganz gerne auch mit der maltesischen Druckerei, an der es mir erlaubt war, Geschäftsanteile zu halten. In meinem eigenen direkten Umfeld habe ich diverse Digitalkopierer zur Verfügung, aber für eigene Buchproduktionen sind die nichts. (Heftchen gehen gut damit; ein Sharp MX-2600 hat sogar einen Sattelheftfinisher mit Heftfunktion … grinz …)
Dein Schwerpunkt ist Science Fiction, damit nicht allzu zu viel Geld in deine Quantenkasse gespült wird.
Natürlich ist mein Schwerpunkt nicht SF – mein Schwerpunkt ist mein Bauch, mit gutem Weißbier gefüllt am schwerpunktesten. Der Schwerpunkt des Verlagsprogrammes ist … naja … bisher SF, richtig. Oder auch nicht. Ich bin flexibel. Es gibt viele Themen – wie man auf der Website meines Verlages ja auch sieht –, die mich interessieren und zu denen ich Bücher machen möchte. Das für einen SF-orientierten Verleger seltsam abwegig scheinende Thema Ikebana zum Beispiel hat für mich deutlich mehr Bedeutung, als nur relativ einfach Bücher zu verkaufen (und Ikebana-Bücher verkaufen sich wirklich einfach, der deutschen Community sei Dank).
Hab’s jetzt mal gerade gegoogelt. Hielt »Ikebana« vom Namen her für ein besonders hippes Raumschiff – aus Griechenland oder so. Stattdessen ist’s »Die japanische Kunst des Blumenarrangierens«. Ich hoffe aber, dass wir gleich noch verstärkt über SF sprechen können.
Nein, Ikebana ist korrekt die »japanische Kunst des Blumensteckens«. Der Unterschied ist in der Tat relevant, denn es sind die westlichen Kulturen, die Blumen arrangieren – nicht nur durch Stecken –, während die Japaner tatsächlich Blumen »stecken«.
Aber über SF können wir natürlich auch gerne reden :)
Seltsamerweise möchtest du, wenn du ein Manuskript annimmst, keinen Druckkostenvorschuss haben, wie so manche Abzockerverlage in der Branche, die jeden Rotz ungeprüft drucken, solange die Überweisung des »Autors« stimmt. Der dann auch mal ein Legastheniker sein darf, der auf fünfhundert Seiten seinen eingewachsenen Zehennagel beschreibt. Und da ist dann noch nicht mal das Lektorat mit drin, das normalerweise zwischen 2 und 3 Euro pro Standardseite kostet, wenn man sich privat einen dieser menschlichen Tipp-Exer sucht.
Bei dir ist das alles anders. Bist du sicher, dass du völlig seriös bist?
Ob ich seriös bin, kann ich nicht beurteilen. Der Grund für mein Modell ist ein seltsamer Versuch, einen Spagat hinzulegen, obwohl man an einer empfindlichen Stelle was hängen hat, das dabei abreißen könnte.
Druckkostenzuschussverlage machen ihr Geschäft aus dem Grunde, wie alle anderen Menschen ihre Geschäfte machen: Geld verdienen, Erfolg haben, sein eigenes Leben finanzieren, vielleicht noch Mitarbeiter einstellen und bezahlen können. Eigentlich ist daran nichts Verwerfliches.
Das sagt der umstrittene Fernsehsender 9Live von sich sicherlich auch. »Achten Sie auf ihr Telefonverhalten«, heißt es da ja oftmals, bevor man hemmungslos beschissen wird.
Es stellt sich die Frage, ob der, der einen solchen Sender sieht, nicht beschissen gehört.
Aber egal … Problematisch ist bei solchen Druckkostenzuschussverlagen oft, dass sie den potenziellen Autoren quasi verheimlichen, dass es auch günstiger ginge. Da werden alten Menschen Verträge aufgebrummt, die nicht nur viel Geld kosten, sondern auch Buchauflagen mit sich bringen, die die Alten in ihrer Altenunterkunft im Heim schon räumlich nicht mehr unterbringen können.
Erinnere mich daran, dass ich meinem Vater niemals einen Druckkostenzuschussverlag zeige.
Mußt du ja auch nicht, du kennst ja mich. – Problematisch ist auch, dass das, was diese Verlage anbieten, gar nicht wirklich geliefert wird. Ich habe einmal für einen solchen Druckkostenzuschussverlag Texte erfasst – sprich: abgetippt – und dabei gleichzeitig korrigiert und lektoriert. Ich weiß, wie grottig solche Manuskripte sind, aber ein professionelles Lektorat gibt es auch hier nicht, egal, wie teuer es verkauft wird; vielmehr müssen die Texterfasser für Preise unter 1 Euro pro 1000 Zeichen ein Lektorat mit erledigen. Und das ohne jeglichen Kontakt mit dem Autoren, ohne jede Möglichkeit, wirklich hilfreich zu sein.
Ich frage mich immer, wer denn überhaupt Lektor wird. Ich fühle mich relativ sicher in der Rechtschreibung, interessiere mich sogar für ihren Werdegang und ihren Familienstand, käme aber trotzdem niemals auf die Idee, alles richtig schreiben zu wollen. – Oder gar zu können. Sind Lektoren nicht ein Menschenschlag, der für eine Stelle beim Finanzamt einfach zu pingelig ist?
Nein. Ich kann dir sagen, warum ich mich als Korrektor und Lektor beschäftige. Einerseits, weil ich es kann. Zugegebenermaßen nicht angeboren, auch nicht angelernt; nach dem, was ich gelernt habe, bin ich Altrechtschreibler. Dass ich die neue Rechtschreibung einigermaßen beherrsche, verdanke ich einer Software – dem Duden Korrektor –, die ich für ausgesprochen gut halte.
Wichtiger jedoch ist für mich, dass es mir wichtig ist, die deutsche Sprache zu pflegen und hochzuhalten. Nicht selbst; ich halte mich nicht wirklich für einen Schriftsteller, auch wenn ich mal solche Ambitionen hatte und auch wenn meine Schreibgeschwindigkeit für einen Massenproduzenten à la Konsalik geeignet wäre. Aber ich liebe die deutsche Sprache und jedes Vergehen an ihr bereitet mir körperliche Schmerzen. Darüber hinaus ist es so, dass man als Autor mit seinen Ideen, seinen Fantasien kämpft und sich nicht gleichzeitig auch noch auf Orthografie und Rechtschreibung konzentrieren kann – und da kommen solche Handwerker wie ich ins Spiel, die einen Text lesen – wenn sie ihn veröffentlichen wollen, ja sowieso –, ihn durchkorrigieren und so als erster Leser gleichzeitig Hinweise auf Unstimmigkeiten, Unsauberkeiten, Unebenheiten und andere Uns geben können, was ich für mich gerne als »kleines Lektorat« bezeichne.
Sprache in Schrift und Wort ist etwas Erhaltenswertes. Und wenn man jemandem damit helfen kann, der gute Ideen, aber nicht die perfekte Sprachkraft sein eigen nennt, dann sollte man es tun. Ich bin auch nicht perfekt. Aber die meisten Autoren, denen ich bislang zurückmeldete, was an ihrem Werk aus meiner Sicht zu beanstanden wäre, waren nicht beleidigt oder böse.
So weit, so gut …
Naja. Die Erfahrungen mit den Druckkostenzuschüsslern waren nicht der Grund, warum ich heute tue, was ich tue. Oder versuche, zu tun.
Wenn ich ein Manuskript erhalte und mich weiter damit beschäftige, dann hat das seinen Grund. Vorherige Kontakte, Emails, vielleicht ein Telefonat. Manuskripte, mit denen ich mich beschäftige, wurden mir nicht einfach geschickt, sondern angeboten.
Also täte man als schreibender Interessent gut daran, sich bei Dir vorher als Schornsteinfeger, Zeuge Jehova, riesengroßer »Fan« oder »Freund eines Freundes« eingeschmeichelt zu haben?
Unsinn – und das weißt du. Ich habe auch schon ein Werk abgelehnt, weil es mir thematisch nicht ins Programm passte – oder in den Kram, wie man will. Wenn ich dann anfange, ein Manuskript zu lesen, um herauszufinden, ob es mir und meinem Programm taugt, dann korrigiere und lektoriere ich automatisch auch. Alles, was nicht in Buchform vorliegt, lese ich entweder am Bildschirm mit Duden Korrektor und der rechten Maustaste oder auf einem Laserausdruck und einem Filzstift. Das ist, wie erwähnt, praktisch ein Zwang. Oder auch Vernunft. Denn so töte ich drei Fliegen – Lesen, Korrigieren, Lektorieren – mit einem Mausklick oder einem Stiftstrich.
Aber du willst überhaupt keine Kohle für dein Lektorat, was einen Privatmann recht schnell weit über 1000 Euro kostet, das ist doch nicht koscher … oder?
Zu diesem Zeitpunkt besteht dafür kein Grund. Ich habe ja außer Lesen noch nichts geleistet. Oder nichts, was ich nicht sowieso geleistet hätte, weil ich das Manuskript gelesen hätte.
Die Verkaufszahlen deiner Bücher lesen sich jetzt nicht sooo beeindruckend, dass sich die vielen Stunden des Korrigierens lohnen würden.
Das sieht man leicht falsch, aus ähnlich typisch deutschen Gründen. Frank Böhmert, einer meiner Autoren, ist mit seinen über siebzig verkauften Exemplaren seines »Ein Abend beim Chinesen« (AndroSF 6) nach nicht ganz einem Jahr – das Buch erschien im Dezember 2009 – durchaus zufrieden. Man kann es in seinem Blog nachlesen (frankboehmert.blogspot.com).
Eine Putzfrau auf den Pyrenäen verdient da sicherlich mehr in der Stunde.
Mag sein …
Und es kann sich doch erst am (miesen) Schluss des Manuskripts herausstellen, dass die ersten zwei Drittel gar nicht erst hätten lektoriert werden sollen.
Nein, das merkt man deutlich vorher. Wenn ein Manuskript erst im dritten Drittel schwächelt, lohnt es sich, es zu überarbeiten.
Willst du dafür wirklich nichts vom Autoren sehen an grün-blau Bedrucktem?
Nein. – Das ist so ein Problem in Deutschland. Entweder darf Service und Dienstleistung gar nichts kosten, oder – wenn es gar nichts kostet, dann ist das dubios.
Stimmt sicherlich. Sorry für das bohrende Nachfragen. Eigentlich sind wir Verwandte im Geiste: Würde ich alles zusammenzählen, was ich kostenlos zusammengeschrieben und im Netz verteilt hätte, müsste man mich wohl auch für irre halten.
Grundsätzlich kommt das Thema Kosten jedenfalls erst zur Sprache, wenn es daran geht, über ein Buch zu reden. Und selbst da kostet das den Autor nicht unbedingt etwas – wie bei einem Druckkostenzuschussverlag.
Trotzdem: Wo bleibt denn da dein Gewinn?
Wenn ich wüsste, wo mein Gewinn bleibt, hätte ich ihn sicherlich längst auf meinem Konto eingesperrt.
Ha! Touchè für meinen tollen Gag in der Einleitung!
Aber um Gewinn geht es mir auch gar nicht. Ich möchte Bücher machen. Machen. Nicht verkaufen. Nicht Geld zählen. Nicht Gewinne einstreichen. Nicht fette Autos kaufen und dicke Reisen machen. Die letzten beiden Punkte sind natürlich gelogen, aber ich bin hinreichend objektiv eingestellt, um zu wissen, dass ich mit dem Machen von Büchern keine fetten Autos kaufen und keine dicken Reisen machen kann.
Und wie kommst du auf deiner Webseite darauf, dass dich alles in allem keine 200 Euro kostet? Das ist sehr günstig – und ich habe mich durchaus mal umgehört, um das sagen zu können!
Das ist unkomplizierte Mathematik, sofern es um die Veröffentlichung von Büchern bei der Books on Demand GmbH in Norderstedt geht. In deren Classic-Programm fallen EUR 39,- für das sogenannte Mastering an, d. h., für den Vorgang, dass ich denen die PDF-Druckvorlagen hochlade und die diese bis zur Fertigmeldung der Buchdaten verarbeiten. Darüber hinaus schließe ich einen Vertrag ab, der mich fünf Jahre lang an diesen Deal bindet, und während dieser fünf Jahre zahle ich EUR 1,99 pro Monat für die Vorhaltung der Daten auf BoD-Servern. Macht zusammen EUR 158,40 für fünf Jahre Buch.
Ich dachte auch an: Titelbildgestaltung, Lektorat, Korrektorat und Guter Rat (für den Autoren).
Wie gesagt: Das kostet alles kein Geld. Das würde Geld kosten, wenn ich davon leben müsste. Muss ich aber nicht. Noch nicht. Vielleicht nie. Ich habe einen Hauptberuf, der mich nicht nur ernährt, sondern mir auch meine Hobbys erlaubt. Und meine Verlegerei ist ein Hobby, das ich durch meinen Hauptberuf mitfinanziere.
Hast du deine Preise einfach seit 1950 nicht mehr aktualisiert?
Für Dinge, die nichts kosten, muss man ja die Preise nicht aktualisieren. Ich aktualisiere meine kostenlosen Angebote alle sieben Werktage. Aber eine Preiserhöhung von 30 % auf 0,00 Euro ergeben halt hinten raus immer noch 0,00 Euro :)
Und ich dachte schon, dass du so grantig geworden bist, dass du neuerdings sogar die Inflation ignorierst …
Wer ist das? Kenn ich nicht, ess ich nicht.
Okay. Ich wurde trotzdem davor gewarnt, mit dir hinter’m Mailserver gesehen zu werden.
Da hast du auch gar nichts zu suchen … und ich auch nicht.
Was mich immerhin etwas beruhigt, so magenfülltechnisch für deine Person: Du nimmst nicht jedes Werk an, sondern sortierst Genres und Texte aus, die dir nicht zusagen.
Natürlich. Egal, unter welchen Bedingungen du solche Arbeiten leistest – also, egal, ob bezahlt oder als Hobby –, es ist natürlich von Interesse, dass du selbst auch Spaß daran hast. Jeder Job sollte einem Menschen Spaß machen; je mehr Spaß ein Job macht, umso lieber verdient man Geld, umso begeisterter arbeitet man z. B. auch für einen Arbeitgeber, wenn man halt nur Angestellter ist.
Stimmt. In einem anderen Leben wäre ich wohl auch gerne wie du geworden. Nur halt in dünner.
Selbst bei meinem verkappten Samaritertum ist das nicht anders. Je besser mir ein Text gefällt, umso lieber beschäftige ich mich damit – und umso mehr kann auch der Autor von mir erwarten. Und nicht nur das: Je angenehmer der Umgang mit einem Autor ist, umso größer sind seine Chancen, dass ich mich mit seinem Werk beschäftige. Das spielt natürlich auch eine Rolle. Warum sollte ich z. B. heute noch mit einem Iwoleit-Manuskript anderes anstellen als eine rituelle Verbrennung? Keine Ahnung. Das müsste er mir erklären, und das wird er nicht tun.
Nur zur Erklärung für die Leser: Michael K. Iwoleit ist ein erfolgreicher deutscher Science-Fiction-Autor und Kritiker. Magst du den nicht? Wäre wirklich nett, wenn du mir diesbezüglich bei einer Meinungsbildung helfen würdest, schließlich habe ich den Mann gerade erst gegoogelt.
Eigentlich mag Iwoleit mich nicht. Inzwischen hat sich allerdings ergeben, dass er manchmal viele bis alle Menschen nicht mag. Er ist wohl kein einfacher Mensch, und sein Leben ist nicht einfach. Und inzwischen bin ich auch überzeugt davon, dass ich auch ein Iwoleit-Manuskript lesen und »verarbeiten« würde, wenn ich Gelegenheit dazu erhielte.
Aber was die Auswahl von Genres angeht, so spielt es eine besonders große Rolle, dass mir das Thema gefällt. Konsalik war ein erfolgreicher Autor, Simmel auch. Autorinnen wie Austen und Pilcher hatten so oder so Riesenerfolg. Keinen von ihnen würde ich mir in meinem Programm wünschen, weil mir all diese Werke nie gelegen haben und nie liegen werden.
Normalerweise sage ich so etwas nicht, aber diese Selbstlosigkeit (Motto: »Interessantes über Erfolgreiches«) erwärmt tatsächlich mein Herz. Wie oft kommt es eigentlich vor, dass sich jemand bei dir meldet und sagt: »Ichh wihll Author seien unt habe auch bereitz einen Rohmaan fertig geschreibt getan, höhö!« – Schließlich bietest du viel für wenig Einsatz. Thema und Autor müssen nur gefallen (magst du eigentlich meine Frisur?) … Also, wie viele nervige Einsendungen?
Bisher gar keine. Als ich für diesen Druckkostenzuschussverlag arbeitete, war das anders, aber für meinen eigenen Verlag bekam ich noch gar keinen Schrott angeboten.
Ich las mal in einem Forum, dass die Prüfungsabteilungen (1.500 Manuskripte landen jedes Jahr bei Heyne, erfuhr ich kürzlich) der großen Verlage tatsächlich derlei Schrott angeboten bekommen und oftmals gar nicht so viel trinken können, wie ihre Lachtränen nach Flüssigkeit verlangen.
Das mag sein. Oder auch nicht. Glauben kann ich es nicht. Und wenn die zuständigen Damen und Herren in solchen Verlagen über solche Einlieferungen Tränen lachen würden, wäre das immerhin eine Erklärung dafür, warum ihnen bei anderen Produkten ihres Verlages keine mehr kommen.
Grausige Bücher von großen Verlagen (inhaltlich, sprachlich und überhaupt ganzheitlich) hat wohl jeder schon zur Genüge gelesen. Da fragt man sich tatsächlich oftmals: »Wie viel literarisch Hochwertiges wurde jetzt für die 200. Vampir-Ork-Fantasy-Sexsaga abgelehnt?«
Tatsächlich hat es mich schon immer interessiert, wie der Buchmarkt funktioniert. Schon als Kind drückte ich meine Nase in hochwertige Literatur, um den Holzgeruch zu inhalieren, der manchmal (gerade bei den späteren Ausgaben von Walt Disneys Lustigen Taschenbüchern) auch ein wenig ins Chemische abdriftete. Meine Frage an Dich: Kann man dadurch high werden oder hatte ich nur ein nicht diagnostiziertes (da noch nicht in Mode gekommenes) Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom?
Wenn man darauf steht, wird man vom Geruch eines Buches sicherlich high – und das hat möglicherweise nichts mit seiner literarischen Qualität zu tun.
Lass uns doch bitte über Science Fiction reden. Was würdest du machen, wenn Dan Simmons morgen bei dir anrufen würde, um mit dir zusammenzuarbeiten?
Keine Ahnung. Ich würde ganz sicher nicht absagen, sondern mich erst einmal schlaumachen, wer Dan ist, was er geschrieben hat, ob es mir gefällt. Und ich würde mit ihm kommunizieren, um herauszufinden, warum jemand wie Dan Simmons, der ganz offensichtlich nicht unbekannt ist, ausgerechnet mit mir zusammenarbeiten wollte.
Wie viele Verlage gibt es Deutschland, die sich mit SF beschäftigen und wie findet man die? Früher war Heyne ja sehr groß im Geschäft, aber seit einiger Zeit drucken sie ja fast nur noch »Klassiker«, von denen ich oftmals noch nie etwas gehört habe. Manche davon grottenschlecht.
Wenn du heute Verlage suchst, die sich wirklich auf SF konzentrieren, die man noch als SF bezeichnen kann, bist du eher bei Kleinverlagen an der richtigen Stelle. Natürlich haben die »Großen« noch immer SF im Programm, aber die säuft wohl mehr und mehr in dem Fantasy-, Romantasy- und Viecherfiction-Kram ab, der aus welchem Grund auch immer heutzutage hip ist. Die Verlage, die heute die richtige SF hochhalten, mit Fremdvölkern, mit Raumschiffen, Space Operas, Military SF, die vielen anderen Spielarten, die ganzen klassischen Themen der echten und einzig wahren SF, diese Verlage sind Verlage, die man mit Fug und Recht und zu deren vollständiger Ehre als Kleinverlage bezeichnen kann, darf und soll. Es gibt viele Namen – Atlantis, Wurdack, Shayol, von Reeken und noch viele mehr, es gibt auch viele Magazine, die sich um SF kümmern, während auf dem Printmagazinsektor am Kiosk längst Paris Hilton & Co. die Allmacht errungen haben, und auch diese Magazine sind Nischenbesetzer. Und das ist gut so.
Ich habe auf deiner Webseite gesehen, dass du Texte für ein Titelbild suchst, das bereits besteht. Das Bild – bzw. das Buch – heißt »Die Seelentrinkerin« und jeder, der eine Kurzgeschichte dazu beisteuert, soll diese Figur vorkommen lassen. Meinst du nicht, dass das etwas einschränkt? Ich hatte tatsächlich überlegt, etwas zu schreiben, wurde aber von den Vorgaben abgeschreckt. Wenn es nur »Seele« oder nur »Trinkerin« gewesen wäre, wäre es für mich wohl einfacher gewesen. Aber so hättest du auch schreiben können: »Höllische Seelentrinkerin, die exakt wie auf dem Cover aussieht. 15 verschiedene, aber irgendwie doch sehr ähnliche Geschichten.« – Oder sehe ich das falsch?
Ist es üblich, dass man quasi ein Buch zum Cover sucht und nicht umgekehrt? Mit wie vielen Einsendungen rechnest du bei solchen Aufrufen?
»Seelentrinkerin« ist ein Projekt, das vom Künstler des potenziellen Titelbildes ausging. Diese Art und Weise, ein Buch zu machen, ist nicht neu und nicht ungewöhnlich, sie ist auch nicht unhandlich oder in irgendeiner Form einschränkend. Deine Beschreibung ist schlicht falsch. »Seelentrinkerin« soll SF-Horror-Storys enthalten, die aus dem Begriff der »Seelentrinkerin« etwas machen: mit SF, mit Horror. Und niemand hat irgendwo geschrieben, dass die abgebildete Dame in irgendeiner Form genau so auftreten muss :)
Was ist eigentlich dein Lieblingswerk von denen, die du selber verlegt hast?
Keines – oder alle. Ich kann es dir nicht genau sagen. Einerseits habe ich so im Nachhinein manchmal Lust, Bücher zu verbrennen, Dateien zu löschen – was ich allerdings nie wirklich tun würde. Aber eben auch keine Lust mehr, sie noch einmal zu lesen, nachdem ich das mehr als drei oder vier Mal getan habe. Andererseits haben sie alle Spaß gemacht, weil sie alle irgendwo toll waren, weil es angenehm war, mit den Autoren zusammenzuarbeiten, Textänderungen zu diskutieren, Druckvorlagen zu machen, Titelbilder zu layouten und so weiter. Es sind alles meine Bücher :) – und ich mag sie alle auf jeweils ihre eigene Art und Weise. (Und da ich selbst auch in echt Vater bin – wenn auch kein sehr toller –, weiß ich, woran mich das erinnert ‹g›.)
Hand auf’s Herz (sofern vorhanden): Wie schließt man als Lektor aus, dass man nicht selber Fehler übersieht? Ich hasse mich immer dafür, dass ich bei eigenen oder fremden Werken offensichtliche Mängel erst beim dritten oder vierten hartnäckigen Lesen aufdecke. Dadurch fühlt man sich zwar irgendwie investigativer, aber der menschliche Verstand scheint nicht dafür geschaffen zu sein, winzige Punkt- und Buchstabenvariationen in einem gar nicht mal so unkomplexen System zu erfassen.
Gar nicht. Du kannst das nicht ausschließen. Du kannst die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Fehlern verringern. Durch Software wie den Duden Korrektor. Durch Einbindung des Autors. Durch Ausdrucke, die dann noch mal ganz anders gelesen werden, als es am Bildschirm stattfinden kann.
Das Problem ist, dass der Mensch nicht wirklich liest, sondern Bilder vergleicht. Ein Wort hat ein Bild, stellt einen optischen Eindruck dar, der immer der gleiche ist, unabhängig von der Schriftart. Das menschliche Gehirn ist einerseits so leistungsfähig, die ganzen Wortbilder, die er im Laufe seines Lebens auch in unterschiedlichen Schriftarten gelesen hat, effektiv zu speichern und zum Wiederabruf bereitzustellen. Andererseits geht mit einer wachsenden Datenbank dieser Bilder auch die Fähigkeit verloren, Fehler zu erkennen, die man schon mehrfach gesehen und als nicht fehlerhaft abgespeichert hat. Betriebsblindheit nennt man diesen Effekt. Das erste Buch, das ich verlegte, dieses Ikebana-Buch, habe ich weit über dreißig Mal gelesen; als die erste Auflage bei mir ankam, ich das erste Buch auspackte, es das erste Mal aufklappte, fand ich auf Anhieb und ohne jeden Umweg den ersten Tippfehler.
Wäre meine absolute Horrorvorstellung, wenn ich du wäre. Ich selber habe bemerkt, dass unterschiedliche Schriftarten beim Korrigieren sehr helfen können.
Ach, was hast du eigentlich selbst so geschrieben? Über blitzende Raumschiffe über einem postapokalyptischen Ödland? Gesellschaftsstudien über Unsterbliche und Geklonte? Quantengewitter über der Ionenwolke von Zeltris III? Was, was?!
Ich habe sicherlich auch ein paar SF-Storys geschrieben, damals in den 80ern, Anfang der 90er. Aber das meiste, was ich geschrieben habe, war nur Fiktion, ohne Science, nichts mit Fantasy, keine Märchen, gar nichts. Über all die Jahre hinweg betrachtet war das meiste, das ich geschrieben habe, eine unterbewusste Vorverarbeitung meines Lebens, lange bevor ich selbst verstanden habe, was sich in demselben abgespielt hat. Irgendwann Anfang der 90er hörte es auf, notwendig zu sein, so mit meinem Leben umzugehen; ich fand heraus, wie es war, sich gleich klarzumachen, was gut oder schlecht war, richtig oder falsch, und so weiter. Seitdem habe ich nicht mehr geschrieben – sieht man von zwei noch nicht veröffentlichten Reisetagebüchern und ein paar Kurzgeschichten aus dem FOLLOW-Umfeld ab –, und die Wahrscheinlichkeit, dass ich es wieder tun werde, ist sehr gering. Ich bin kein Schriftsteller von auch nur ausbaufähigem Format.
Danke für all diese Antworten. Ich fand’s interessant. Das nächste Mal will ich dann aber endlich erfahren, ob Ikebanas sich wirklich länger halten, wenn man sie mit Butter bestreicht und dann in Frischhaltefolie einwickelt. Bis dahin, Michael!
[Das Interview wird auch auf der Website des Interviewers, www.zukunftia.de, erscheinen, ebenso in den ANDROMEDA NACHRICHTEN 232 des SFCD e.V.]